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DDR-Kataloge


"Schöne Kinderkleidung aus dem Versandhaus Leipzig - Ausdruck wachsenden Wohlstands" (1959)

 

Die Liste der Gründe für diese Versorgungsengpässe ist lang und reicht von fehlenden Rohstoffen über grundlegende Mängel des Handelssystems bis hin zu Fehlentwicklungen des politischen Systems schlechthin. So schreibt der in der DDR aufgewachsene Schriftsteller Uwe Johnson in einem Beitrag für den Spiegel: „Die mitunter grotesken Zustände in der Versorgung waren eben nicht einem einzelnen Geschäftsmann und seinem Mangel an Geschäftsinteresse zuzurechnen, sondern den Funktionären in allen Instanzen, also der DDR in Person.“ In den mit Waren aller Art schier überquellenden Versandhauskatalogen jedenfalls ist von all dem, zumindest auf den ersten Blick, recht wenig zu spüren. Bei näherem Hinschauen fällt allerdings auf, dass auf den Bestellkarten eine zusätzliche Spalte für die Eintragung eines „Ersatzwunsches“ zur Verfügung steht, falls der gewünschte Artikel nicht lieferbar sein sollte. Auch beigefügte Listen mit Aufstellungen von Waren, bei denen es sich nach Drucklegung herausgestellt hat, dass sie letztlich doch nicht vorrätig sind, bilden nicht die Ausnahme, sondern werden zur Regel. Und um ausgesuchte Bevölkerungsgruppen in Industriezentren oder ländlichen Regionen bevorzugt beliefern zu können, werden die Kataloge schließlich in mehreren Etappen zeitlich versetzt versandt, sodass die beigelegte Liste mit inzwischen ausverkauften Posten von Mal zu mal länger wird. Selbst die Höhe der Katalogauflage wird nicht durch den wirklichen Bedarf, sondern durch die zur Verfügung stehenden Druck- und Papierkapazitäten bestimmt. Denn obwohl die Zahl der Versandhauskunden sich schon bald der Millionengrenze nähert, bleibt die Summe der verteilten Kataloge in den ersten Jahren mit der unter den gegebenen Umständen immerhin recht hohen Anzahl von jeweils 300000 Exemplaren erst einmal konstant. So werden die Katalogbesitzer wiederholt aufgefordert, ihr Bestellverzeichnis mit anderen zu teilen: „Unser Katalog kann nicht in jeden Haushalt verschickt werden. Nachbarn, Verwandte und Bekannte danken es Ihnen, wenn Sie unseren Katalog an sie weitergeben.“

Verwunderlich ist, dass sich die Präsenz unverblümter Politpropaganda in diesem breite Schichten erreichenden Druckmedium anfangs noch in Grenzen hält. Erklärtes Ziel Walter Ulbrichts war schließlich nicht nur die Versorgung der eigenen Bürger, sondern darüber hinaus, das bis dahin wirtschaftlich überlegene Westdeutschland in nächster Zukunft „im Pro-Kopf-Verbrauch an Lebensmitteln und den wichtigsten Konsumgütern“ zu übertreffen. Als ihm jedoch nach einiger Zeit klar wird, dass die DDR diesbezüglich im direkten Vergleich auch weiterhin den kürzeren ziehen würde, prägt er den mittlerweile geflügelten Satz vom „überholen ohne einzuholen“, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die DDR durch ihr überlegenes politisches System sowieso schon auf der Überholspur sei und es daher gar nicht nötig habe, die Bundesrepublik erst „einzuholen“.

In den ersten Versandhauskatalogen jedenfalls ist nur hin und wieder ist ein dezenter Hinweis auf die Vorzüge des Sozialismus und „die hohen Leistungen volkseigener Betriebe“ zu entdecken, was sich jedoch im Laufe der Jahre ändert: „Mit voller Kraft voraus“ lautet beispielsweise das Motto des Frühjahr/Sommer Katalogs 1960, auf dessen Titel vier fröhliche junge Menschen diese Vorgabe mit ihrem „idealen Mehrzweckfaltboot Delphin 110“ in die Tat umsetzten.im Dorf-Kulturhaus“ präsentiert, bzw. wird versucht, durch entsprechenden Überschriften diese Illusion zu erzeugen. Bildlich wird das Ganze – vermutlich aus Kostengründen - jedoch leider nur andeutungsweise durch einige schemenhafte Hintergrundillustrationen in Szene gesetzt. In späteren Katalogen werden vermehrt Zitate des Staatsratsvorsitzenden Ulbricht wiedergegeben und in dem zum 20-jährigen DDR- Gründungsjubiläum erschienenen Exemplar von 1969 darf sich erstmals Erich Honecker zu Wort melden, wodurch die zwei Jahre später erfolgende politische Wachablösung zwischen den beiden Politikern regelrecht vorweggenommen wird: „Zwanzig Jahre Deutsche Demokratische Republik – das sind 20 Jahre systematische Verbesserung der materiell-kulturellen Lebensbedingungen der von der Ausbeutung befreiten Werktätigen.“

 

                              

 

 

 

 

                          

 

 

 

„Mit voller Kraft voraus“ soll auch die Versorgung der Versandhandelskunden „ständig verbessert werden. Eine große Strecke haben wir gemeinsam erfolgreich zurückgelegt, doch bleibt noch viel zu tun. Aber wir werden es schaffen, schon weil wir alle in einem Boot sitzen, das den Kurs Frieden und Sozialismus hält.“ „Werktätige in Stadt und Land – alle schaffen für den Sozialismus“ heißt es danach im Innenteil auf den Seiten mit der Arbeitskleidung und die abgebildete „Schöne Wäsche“ ist ein „Zeichen unseres wachsenden Wohlstands“. Im nachfolgenden Katalog wird die Kleidung alsdann von „Gut gekleideten Frauen auf der LPG-Konferenz“, „Frauendelegationen auf der Leipziger Messe“ oder festlich gekleideten Damen beim „Theaterabend im Dorf-Kulturhaus“ präsentiert, bzw. wird versucht, durch entsprechenden Überschriften diese Illusion zu erzeugen. Bildlich wird das Ganze – vermutlich aus Kostengründen - jedoch leider nur andeutungsweise durch einige schemenhafte Hintergrundillustrationen in Szene gesetzt. In späteren Katalogen werden vermehrt Zitate des Staatsratsvorsitzenden Ulbricht wiedergegeben und in dem zum 20-jährigen DDR- Gründungsjubiläum erschienenen Exemplar von 1969 darf sich erstmals Erich Honecker zu Wort melden, wodurch die zwei Jahre später erfolgende politische Wachablösung zwischen den beiden Politikern regelrecht vorweggenommen wird: „Zwanzig Jahre Deutsche Demokratische Republik – das sind 20 Jahre systematische Verbesserung der materiell-kulturellen Lebensbedingungen der von der Ausbeutung befreiten Werktätigen.“

 Erwähnenswert ist sicherlich auch das Vorhandensein von Kriegsspielzeug auf den Spielwarenseiten, wie zum Beispiel die „Originalgetreue Nachbildung des Panzer T 34 der Nationalen Volksarmee“, der über „einen drehbaren Turm und ein schwenkbares Geschützrohr“ verfügt und „aus einer Öffnung der Stirnseite in Intervallen Feuergarben“ abgibt. Solche Modelle „werden den Jugendlichen Anregung sein, sich wehrpolitisch zu bilden und vormilitärische Kenntnisse zu erwerben.“ Weitere Gründe für die Berechtigung militärischen Spielzeugs lassen sich, kindgerecht formuliert, in dem 1958 erschienenen Buch „Spielzeug“ des Fachbuchverlag Leipzig am Beispiel eines Spielzeuggewehres nachlesen: „Wenn das Kind erfährt, dass es böse Menschen gibt, die nur zu gern in seinen Lebensbereich eindringen würden, dass aber diese bösen Menschen gerade über ebensolche Waffen verfügen, dann weiß es, dass es die Waffe dann gebrauchen wird, wenn es gilt, seine Heimat gegen solche Eindringlinge zu verteidigen.“

Im Jahr 1959 kann das Versandhaus Leipzig trotz immer wieder auftretender Unzulänglichkeiten bereits auf 1,5 Millionen Bestellungen seiner bis dahin 800000 Stammkunden zurückblicken (Quelle: Kaminsky/Kaufrausch), doch entgegen der ursprünglichen Absicht, vor allem die Landbevölkerung besser zu versorgen, muss man feststellen, dass im Laufe der Zeit immer mehr Stadtbewohner die Dienstleistungen des Versandhandels in Anspruch genommen und derart auch die Entwicklung des Sortiments beeinflusst hatten. So sind im Herbst/Winter Katalog des Jahres 1960 nur mehr zwei Seiten mit Berufsbekleidung zu entdecken, während sich die angebotene Garderobe samt den dazugehörigen Fotomodellen zunehmend eleganter gestaltet und auch das restliche Angebot vermehrt auf die Bedürfnisse der Städter zugeschnitten ist. Um diesem Umstand Abhilfe zu schaffen und auch, weil sich zu dieser Zeit die Versorgungsmisere und damit die Unzufriedenheit der DDR-Bürger dramatisch zuspitzt, wird schließlich die Gründung eines zweiten Versandhauses beschlossen.

Konsum-Versandhandel Karl-Marx-Stadt - "Sehr verehrter Kunde! Mit Übersendung dieses Vorlauf-Kataloges beschreitet auch der konsumgenossenschaftliche Handel einen neuen Weg zur besseren Versorgung unserer Bevölkerung. (...) Mit unserem heutigen Angebot treten wir erstmalig an die Öffentlichkeit." (1960)

 

Dessen Realisierung wird abermals, diesmal jedoch endgültig, in die Verantwortung der Konsum – Genossenschaften übertragen. Diese versuchen natürlich tunlichst, die Fehler der Leipziger zu vermeiden und finden mit den Kauffahrtei-Anlagen in Karl-Marx-Stadt einen in mehrerlei Hinsicht viel versprechenden Standort. Zum einen sind etliche der für den Konsum produzierenden Betriebe bereits in dieser Gegend ansässig, sodass lange Anlieferungswege entfallen, zum anderen besitzt das Gelände eine sehr gute Verkehrsanbindung und verfügt über ausreichende und zudem noch ausbaufähige Lagerkapazitäten. Auch bezüglich des „Know-how“ verlässt man sich nicht ausschließlich auf die im eigenen Land gesammelten Erfahrungen, sondern schickt unter anderem sogar eine Delegation in die Bundesrepublik, um von den dort gemachten Erkenntnissen zu profitieren. Darüber hinaus werden hunderte der vorhandenen Konsum-Verkaufsstellen geschlossen, um einen höheren Anteil der verfügbaren Warenproduktion in den Versandhandel abzweigen zu können. Sichtbares Ergebnis der Bemühungen des „Konsum-Versandhandel Karl-Marx-Stadt“ ist ein im Frühjahr 1961 erscheinender 84-seitiger Katalog im annähernden Din-A4 Format mit über 1000 Artikelpositionen, der nun endlich auch das eigentlich von Beginn an geplante große Sortiment landwirtschaftlichen Bedarfs offeriert. Bereits das Titelbild zeigt „zwei junge Menschen, die optimistisch und lebensbejahend zur Feldarbeit gehen“.

 

 

 

 Konsument Versandhaus - "Wir wollen im Frieden lernen und spielen - licht und hell ist unsere Zukunft" (1961)

 

 

Eine ähnliche positive Stimmung verbreiten viele der im Katalog zu lesenden Überschriften und Artikelbeschreibungen, die häufig auffallend locker formuliert sind und über den praktischen Nutzwert der Arbeitskleidung hinaus „zur Weckung der Arbeitsfreude“ auch deren optische Wirkung beschreiben. So finden Kaufinteressierte „Schürzen in reicher Auswahl und schönen Dessins“ oder gar „flotte Kleidung für die Land- und Forstarbeit“, ein Männer-Arbeitsanzug „wird wegen der gefälligen Form und der Farbe gern gekauft“ und eine Latzhose für Gärtnerinnen „erhält durch andersfarbige Nähte einen modischen Charakter.“ Ein hoher Prozentsatz der Artikel wurde nun „besonders für unsere Landbevölkerung ausgewählt.“ So erstreckt sich das entsprechende Angebot vom Melkschemel über die Scheuerbürste „Marke Bürstenmann“ und die Kleintierfutterfräse „Heureka“ bis hin zur Viehschermaschine „Komet“, die als Antrieb augenscheinlich das gleiche Motorenelement besitzt wie der gleichnamige Küchenmaschinen-Klassiker. Sense, Mistgabel, Leiterwagen und Sturmlaterne können ebenso bestellt werden wie Rinderschlachter und Knochenbrecher.


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