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Er - Die Zeitschrift für den Herrn

© Text / Fotos: Jörg Bohn / VG Wort Wissenschaft - Erstveröffentlichung im Sammlermagazin TRÖDLER 2/2008

 Es ist eine Binsenweisheit, dass es sich bei einem Herrn um ein männliches Wesen handelt, umgekehrt aber längst nicht jeder Mann einen Herrn darstellt. Die frühen Jahrgänge der Zeitschrift „Er“ bekunden, was in den 1950er und -60er Jahren den diesbezüglichen Unterschied ausmachte und geben damit Auskunft über das gesamte Spektrum kultivierter zeitgenössischer Lebensart.

„Mit der vorliegenden ersten Nummer der Zeitschrift stellen wir unseren Lesern ein Blatt für den Herrn vor, das sich ganz mit seiner Welt, mit seinen Interessen und Liebhabereien beschäftigen wird. Ein Duft von Tabak und altem Cognac soll seinen Inhalt durchziehen, der sich – fern von allem Snobismus – durch seine heiter philosophische Form an den anspruchsvollen Mann wendet“, gelobt der im Rahmen eines Begrüßungsartikels formulierte Selbstanspruch des im Oktober 1950 erstmals erscheinenden Magazins „Er – Die Zeitschrift für den Herrn“. Und um es vorwegzunehmen: „Der vielseitige, interessante und amüsante Plauderer über die gesellschaftlichen Ereignisse der Zeit, über Mode, Sport und Literatur“ wird diesem hochgesteckten Ziel über weite Strecken auch durchaus gerecht.

So erregt bereits der allererste Eindruck in Form des überaus ansprechenden Titelbildes der Ausgabe Nr.1 die wohlgefällige Aufmerksamkeit des Betrachters. Verantwortlich für dessen Gestaltung ist mit dem Grafiker Kurt Glombig ein bewährter Könner seines Fachs, der sich bereits durch den Entwurf von Filmplakaten einen Namen gemacht hatte und ebenfalls in der Werbung erfolgreich war. Zeichnerisch in Szene gesetzt hat er diesmal die offenbar zufällige Straßenbegegnung einer elegant im Stil der Zeit gekleideten Dame und eines höflich seinen Hut zum Gruße hebenden Mannes. Obwohl von letzterem lediglich eine Hand sowie ein Teil des Unterarms zu sehen sind, genügt dies, um nach einem Blick in die Modeseiten der ersten Er-Ausgaben feststellen zu können, dass der dazugehörige Herr sich modisch voll auf der Höhe der Herbst-Trends des Jahres 1950 befindet.

                          

1950

 

1951

 

                          

1950, Liselotte Pulver

 

1950

 

1951

 

1951

 Als unverzichtbar erweist sich zunächst einmal die korrekte Kopfbedeckung, denn „ohne Hut zu gehen ist zwar billig und bequem, aber ein Herr ohne Behauptung erscheint immer unangezogen.“ Auch bei der Auswahl des richtigen Huttyps liegt unser „Titelbildmann“ offensichtlich richtig, da „der prätentiöse Zylinder sich im Aussterben befindet und der Filz in allen Spielarten den Sieg davongetragen zu haben scheint. Der saloppe Stil des Herrn von 1950 verlangt geradezu nach ihm.“ Doch trotz neuer Lockerheit „wirkt der beste Hut nicht, wenn er falsch aufgesetzt ist. Der Kniff muss richtig sitzen, der Rand je nach dem Typ des Trägers heruntergeschlagen oder aufgestellt sein“, schließlich ist „ein flott aufgesetzter Hut nicht selten ausschlaggebend für die Gesamterscheinung.“ Desgleichen ist farblich alles, wie es sein soll. Zwar „hat ein Londoner Mode-Revolutionär Hüte in grellroten und kanariengelben Tönen propagiert, doch der gut angezogene Mann bevorzugt weiterhin gemäßigte Pastelltöne.“ Ebenfalls up to date ist der dezent gemusterte Stoff des Jackettärmels, der „die modische Tendenz zur ruhigen Harmonie in dieser Saison“ widerspiegelt und unter dem eine blütenweiße Hemdmanschette hervorblitzt, denn „Streifenmuster in jeder Variation – breite und schmale – haben wir uns ein wenig übergesehen.“  Abgerundet wird das Bild durch Handschuhe aus weichem Leder, die insbesondere „in der kühlen Jahreszeit als angenehm empfunden werden.“ Der wohlwollenden Blickerwiderung der entgegenkommenden Dame nach zu urteilen kann man darüber hinaus gewiss sein, dass dieser Mann zudem die Knopflochblume – bestens geeignet sind Nelken – nicht vergessen hat, die „auch dem seriösesten Mann einen liebenswürdigen Akzent verleiht.“

                                  

1951

 

1951

 

1951

 

                                 

1951

 

1951

 

1951

 Nicht von ungefähr ist zu Beginn dieser Betrachtung erst einmal verstärkt von der Herrenmode die Rede, da diesem Thema und seinem Drumherum auch innerhalb der Hefte von Beginn an der weitaus größte Platz eingeräumt wird. Doch nur fünf Jahre nach Kriegsende ist vieles noch keine Selbstverständlichkeit, sodass in Heft 1 zunächst Grundsätzliches zur Sprache kommt: „Gibt es überhaupt noch eine Herrenmode? Eine berechtigte Frage in einer Zeit, in der die meisten Kleiderschränke leer sind. Mancher, der aus der Gefangenschaft entlassen wurde, verfügt nur über den Anzug, den er am Leibe trägt. Andere besitzen schon wieder 2 oder 3 Sakkos, die abwechselnd getragen, eine reichhaltige Garderobe vortäuschen.“ Welche Wichtigkeit Hubert Miketta, der Verfasser dieses Artikels, einem guten Stilgefühl beimisst, verrät sein abschließendes Fazit: „Eine gediegene und unauffällige Geschmacksrichtung hat sich durchgesetzt, die das beste Zeichen für eine Wiedergesundung der Welt ist.“ Miketta zeichnet nicht nur für diesen Beitrag, sondern als Chefredakteur „für die gesamte Schriftleitung“ der Zeitschrift verantwortlich und prägt in der Anfangsphase maßgeblich deren Erscheinungsbild. Für seine Arbeit kann er auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz im Bereich der Printmedien zurückgreifen, da er die gleiche Position bereits beim 1924 von Franz Wolfgang Koebner herausgegebenen „Das Magazin“ ausfüllte und auch an dessen, allerdings recht bald aus wirtschaftlichen Gründen wieder eingestellter Neuauflage im Jahr 1949 beteiligt war. Koebners Name hingegen ist zu dieser Zeit im Zusammenhang mit Er nirgendwo in den Heften zu entdecken. Erst in einem zum 25jährigen Jubiläum erschienen Er Spezial aus dem Jahr 1975 erfährt Leser, „dass 1950 der legendäre F.W. Koebner und sein erotischer Weggefährte Hubert Miketta mit Er das erste deutsche Herrenmagazin gründeten.“ Welche Funktion Koebner dabei innehatte, wird jedoch leider nicht mitgeteilt. In „der Zeitschrift für den Herrn“ jedenfalls werden neben Miketta noch diverse „ständige Mitarbeiter in aller Welt“ aufgelistet, bei denen sich unwillkürlich der Eindruck aufdrängt, dass bei ihrer Auswahl nicht nur die Qualifikation, sondern auch der Wohlklang des Namens ein Kriterium darstellt haben könnte. So berichten unter anderen Alexandre Alexandre aus Paris, P.R. Bentley aus London, Frank Lee Williams aus Hollywood und aus Wien Imre von Santho, letzteres offensichtlich ein Pseudonym in Erinnerung an den in Berlin arbeitenden und 1938 verschollenen österreichischen Modefotografen gleichen Namens.

                       

1952

 


 


 


 

       

               
           


 Aber nicht nur Mode, sondern auch „Kultur, Sport, Theater und Film“ werden in Er „einmal durch eine ausgesprochen männliche Brille gesehen. Abseits von den seriösen Spalten der Tagespresse spricht Er „Ihn“ von der lebensbejahenden Seite an.“ Zielgruppe der Zeitschrift sind zweifelsfrei Männer jenseits der 30, die es im Beruf bereits zu etwas gebracht haben oder anderweitig zu Geld gekommen sind und die darüber hinaus über eine gewisse Bildung verfügen, welche Voraussetzung zum Verständnis der überwiegend auf gehobenem Niveau befindlichen Heftbeiträge ist. Zeitgenössische Werbung für das Männermagazin findet sich folglich vornehmlich in qualitätsvollen Publikationen wie der naturwissenschaftlich-technischen Zeitschrift Orion: „Gute Laune, eine Portion Esprit und einige Spritzer Humor fügen sich in „Er“ zu einem unterhaltsamen Lese-Cocktail zusammen, den der Anspruchsvolle mit Vergnügen genießt.“ Weiterhin wird innerhalb des entsprechenden Anzeigentextes nicht versäumt, gezielt auf im Heft abgedruckte Texte prominenter Autoren wie Aldous Huxley, Kurt Tucholsky oder Erich Kästner hinzuweisen. In der Tat wartet das Magazin bereits in der Startausgabe mit einer Vielzahl interessanter und zum Teil auch heute noch durchaus lesbarer Beiträge auf, deren breit gefächertes Themenspektrum von „Diplomaten sind auch nur Menschen“ über „Hilfe, ich will bauen!“ bis hin zu einem „Lob auf den Schnurrbart“ reicht. Die Serie „Männer, von denen man spricht“ stellt in Kurzportraits Politiker, Künstler und andere zeitgenössische Persönlichkeiten vor. Zu diesen zählen im Jahr 1950 beispielsweise der erstaunlich schlank wirkende und „natürlich“ seine obligatorische Zigarre rauchende Ludwig Erhard („In dem noch jung aussehenden 53jährigen vermutet zunächst niemand einen Professor“), Jean Paul Sartre („Der wahrscheinlich genialste geistige Aufwiegler Frankreichs seit Voltaire“) oder Ferdinand Porsche („berühmt durch die Konstruktion des Volkswagens, der dem deutschen Volk jahrelang als Lockspeise hingehalten wurde“). Weiterhin geht es um die Frage „Gemixt oder klar?“: „Alle sind sie wieder da, für jeden Geschmack ist gesorgt. Mit Schrecken denken wir noch heut an die Zeit des Kartoffelschnapses zurück. Die Zeit, in der man für fürchterliche Giftmischungen ein Vermögen ausgeben musste und in der Alkoholvergiftungen an der Tagesordnung waren. Heute können wir unsere Alkohol-Bibliothek wieder mit allen Sorten der belebenden Elixiere füllen und die Getränke-Kultur kommt wieder zu ihrem Recht…“. Nicht fehlen darf natürlich ein Beitrag über „des Deutschen liebstes Kind“. Aber entgegen jeglicher genrebedingten Erwartungshaltung geht es in „Zwiegespräch mit meinem Auto“ nicht etwa um die Vorstellung eines neuen Modells, sondern im Gegenteil um die Rechtfertigung eines Mannes, sein zwar in die Jahre gekommenes und daher reparaturanfälliges, aber nichtsdestotrotz lieb gewonnenes Fahrzeug gegen den Willen der Angetrauten („Entscheide Dich! Ich oder Dein blödes Vehikel“) noch eine Weile über die Zeit zu retten. An anderer Stelle kommt auch der sportinteressierte Herr zu seinem Recht. Unter der Überschrift „Der weiße Sport“ werden zeitgenössische Tennisasse vorgestellt, deutsche Spieler gehören allerdings zu dieser Zeit nicht zur Weltspitze: „Gottfried von Cramm – immer noch „unser bestes Pferd im Stall“ – muss erst wieder den Anschluss finden. Jahrelanges (Kriegsbedingtes) Ausgeschaltetsein von Kämpfen mit der Weltspitze kann nicht in einem Jahr nachgeholt werden.“

                         

1953

 

1953

 

1954

 

                                

1953

 

1953

 

1953

 Abbildungen von minder oder gar nicht bekleideten Damen, wie sie heutzutage in einem Magazin dieses Titels gewiss erwartet würden, sucht man jedoch vergeblich. Das einzige im Heft zu entdeckende Foto, das, mit etwas Phantasie, zumindest einen Hauch von Erotik versprüht, hat ebenfalls einen Tennisplatz als Szenarium. Es lichtet einen älteren, deutlich unsportlichen Mann mit unverkennbarem Bauchansatz ab, der recht unziemlich an dem mit auffälligen Stickereien verzierten Tennisröckchen seiner Spielpartnerin herumfingert, beziehungsweise laut Unterschrift „den kapriziösen Tennisdress von Gussy Moran bewundert.“ Eine Geschichte wird daraus, wenn man weiß, dass eben diese Gertrude „Gussy“ Moran 1949 in Wimbledon einen regelrechten Skandal auslöste, indem sie unter ihrem Tennisrock einen aufreizenden spitzenbesetzten „Schlüpfer“ trug und dadurch sämtliche anwesenden Fotografen dazu veranlasste, sich auf den Boden zu legen, um auf diese Weise einen pikanten Schnappschuss zu erhaschen. Fotos der Unterwäsche gingen anschließend um die ganze Welt, Wimbledon erlebte einen ungeahnten Besucheransturm und „Glamoros Gussy“ war über Nacht berühmt. Sie wurde Profi, trat in etlichen Shows auf, präsentierte neue Tenniskollektionen und spielte in diversen Filmen mit. Heute ist die in Kalifornien lebende Moran verarmt. Um zu Geld zu kommen, versteigerte sie vor einigen Jahren mit Autogrammen versehene Tennisbälle und Wäschestücke bei Ebay.

So modern und aufgeschlossen sich „Er“ über weite Strecken präsentiert mag: wenn es um die Stellung der Frau geht, die nach Umstände bedingter Selbstständigkeit in den Kriegs- und Nachkriegsjahren nun wieder an den Herd zurückgeholt werden soll, zeigt man sich, zumindest zu Beginn der 50er, noch überwiegend konservativ. Im Artikel „Welche Frauen werden begehrt? Ein aktuelles Problem“ erfährt frau in einer für heutiges Empfinden sicherlich unfreiwillig komisch klingenden Wortwahl, was von ihr erwartet wird: „Eine kluge Ehefrau wird ihren Mann immer nett empfangen, ihn nicht gleich beim Heimkommen mit häuslichem Ärger überfallen, sondern vielmehr versuchen, durch ein nettes Kleid und freundliches Lachen frohen Willkommensgruß zu bieten.“ Steigerung gefällig? „Wohl alle Männer sind sich darin einig: Eine Frau darf nicht eifersüchtig sein. Es schadet dagegen nichts, wenn Sie hin und wieder um die Treue des Ehegatten bangt.“ Und als Höhepunkt: „Frauen müssen sich gut kleiden, ohne Extravaganzen zu lieben. Wir lieben ihre Natürlichkeit. Sie sollen nicht unbedingt klug sein, aber das Herz am rechten Fleck haben.“ Nochmals bekräftigt wird diese männliche Sichtweise der Verhältnisse in der Abteilung „Herrenwitz“, die von Beginn an auf einer und später sogar zwei eigenen Seiten fester Bestandteil des Hefts ist. „Man weiß, dass er es in sich hat.“ Dennoch „ist der Herrenwitz niemals zotig. Er hasst aufdringlichen Lärm, krakeelendes Lachen und wiehernde Begeisterung und man kann ihn getrost „gerade noch“ in jeder Damengesellschaft erzählen, sofern man nicht grundsätzlich derartige Dinge als groben Verstoß gegen die gesellschaftlichen Sitten verwirft.“ Endlich erfährt der Leser auch, was denn nun den Mann zum Herrn macht: „Die innerliche und äußerliche Haltung, das Bestreben, Manieren zu zeigen und die einwandfreie charakterliche Einstellung zu den Dingen des Lebens.“ Ein gepflegtes Äußeres allein ist kein untrügliches Merkmal. „Wichtiger als eine elegante Garderobe scheint Lebensart und Korrektheit namentlich im Umgang mit Frauen. Daran – und nur daran erkennt man der wirklichen Herrn.“

                         

1954

 


 


 

                         


 


 


 Bereits mit Heft Nr. 3 wechselt der „Er“ -Herausgeber, anstelle des Münchner AWA – Verlages Krüger & Co findet sich nun im Impressum der Kauka-Verlag, welcher sich in der Folge insbesondere mit den deutschen Erstveröffentlichungen von Asterix sowie den Comics um Fix und Foxi profilieren kann. Auf die grundsätzliche Konzeption des Herrenmagazins hat diese Veränderung jedoch keine gravierenden Auswirkungen. Neu sind lediglich regelmäßige ganzseitige Fotos von Schauspielerinnen wie zum Beispiel einem Hollywood-Sternchen, dessen „in mehreren Konkurrenzen preisgekrönte Figur den amerikanischen Idealtyp darstellt“ oder „Jane Russell, der ebenso schönen wie viel umstrittenen Filmdarstellerin.“

In einem der damals wie heute beliebten Psychotests wird mit der Frage „Sind Sie männlich?“ den Herren der Schöpfung auf den Zahn gefühlt. Gute Aussichten, als besonders maskulin eingestuft zu werden hat beispielsweise, wer lieber Kriminalromane als Gedichte liest, beim Autokauf einem „erstklassigen Motor“ den Vorzug vor einer eleganten Karosserie gibt und sich nicht vor schmutzigen Tischtüchern ekelt. Wenn ein Mann jedoch lieber einen Pudel denn einen Boxer zum Haustier haben möchte, bei traurigen Filmen weint, gerne zu Tanzveranstaltungen geht oder die größte Hoffnung für die Zukunft der Welt in die Religion statt in die Wissenschaft setzt, sollte er sich anschließend nicht wundern, bei der Auswertung des Tests „ein sehr weibliches Wesen“ attestiert zu bekommen.

Ungewöhnlich für die Zeit und sicherlich Indiz für die zweifellos vorhandene Qualität des Blattes ist das mehrfach nachzulesende Bekenntnis zum Jazz, der ansonsten in den meisten anderen Publikumszeitschriften dieser Jahre recht kritisch betrachtet oder in Anbiederung an eine konservative Leserschaft sogar gänzlich verteufelt wird. „Was sollen mir die alten Schöntöner, deren Zeitgefühl nicht das meine ist und bei deren Werken ich gähnen muss wie in einem Museum? Was soll mir die verstaubte Oper, die abgeklapperte Suite, das sentimentale Lied?“ fragt in Er hingegen Peter Rocholl, später Leiter der Abteilung Musik beim Saarländischen Rundfunk, und beschreibt in der Folge seine „kleine Liebe zum Jazz“, die entgegen der Artikelüberschrift offenbar sogar eine recht große ist: „Es lebe der Song, es lebe der Jazz, es lebe der Krach der Kräche.“ Der deutsche Jazz jedoch gefällt ihm nicht, er hat bloß den Rang „jazzig“ eingefärbter Unterhaltungs- und Tanzmusik.“ Die Deutschen „sind zu seriös dazu, auch wenn sie sich verzweifelt locker gebärden“, lautet schließlich sein Resümee, das sich wohl problemlos in die heutige Zeit übertragen ließe.

                         

1954

 


 


  Bei den Lesern scheint der bunte Themenmix der „Zeitschrift für den Herrn“ durchaus anzukommen, sofern man einer „Notiz des Herausgebers“ glauben schenken mag, in der nach einem halben Jahr eine Zwischenbilanz gezogen wird. „Erfreulich für Herausgeber und Redaktion ist, dass „unser Kind“ sich erstaunlich schnell entwickelt und von Tag zu Tag neue Freunde, sondern auch Freundinnen gewinnt…Der begeisterten Aufnahme unseres Blattes beim deutschen Leserpublikum stehen die Stimmen aus dem Ausland um nichts nach.“ Konkrete Zahlen erfährt man dann in dem im Juli 1951 erschienenen „Ferien-Heft“: „Er ist dicker geworden. Eine Tatsache, die man gerne wahrnimmt – sofern es sich um eine Zeitschrift handelt. Die Umfangserhöhung ist ein Dank an unseren Leserkreis, der sich von Monat zu Monat vergrößert und bereits die stattliche Zahl von 30000 umfasst.“

Aktuelle Themen sind in dieser Zeit beispielsweise die erste große internationale Automobilausstellung auf deutschem Boden nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt am Main, der Tod des letzten deutschen Kronprinzen oder das Film-Festival in Cannes“. Inhaltlich gewohnt breit gefächert besucht Er die Maler Jean Cocteau und Marc Chagall oder gibt Auskunft über den Surrealismus, berichtet über Pferderennen, Dressurreiten, Tontaubenschiessen und Golf, testet Autos wie Borgward Hansa, DKW Meisterklasse, Ford „Buckeltaunus“ und „den neuen Opel Kapitän“ oder philosophiert über die Privatsekretärin als „ungekrönte Königin“. Im Bereich der Mode fährt „Er“ zum Wintersport, gibt Aufschluss über „Das Geheimnis der Eleganz“, beschreibt die Mode in London und referiert über „die Auferstehung des Dandy“. Wie gehabt werden die Titelbilder von renommierten zeitgenössischen Grafikern wie R.G. Collaud, J. Stahlberg oder Hans Fischach gestaltet. Letztgenannter, 1922 in Aschaffenburg geborener Autor und Illustrator, ist nach wie vor publizistisch aktiv und wurde erst 2005 in München mit einem Kulturpreis für sein Lebenswerk geehrt.

Zu Beginn des Jahres 1952 jedoch warten „die treuen Freunde dieser Zeitschrift“ vergeblich auf ihr Herrenmagazin, Grund ist ein abermaliger Verlagswechsel: „Verlag und Verlagsort haben sich verändert, von der Isar an die Elbe. Mit der Übergabe der Zeitschrift vom Kauka-Verlag, München, an die Hamburger Verlags-Union ergaben sich interne und technische Umstellungen, die den Ausfall der Januar-Nummer erklären.“

 

                         

1955

 

1957

 

1955

 

 Ein kurzes Intermezzo als neuem Chefredakteur ist nun Wolfgang Jänicke beschieden, der durch die Wahl eines von Erstausgaben-Illustrator Gombig entworfenen Titelbildes zeigt, dass er auf Kontinuität setzt und den bisher eingeschlagenen und offenbar erfolgreichen Weg weiterzugehen gedenkt. Zeitgleich ist Jänicke auch noch Chefredakteur des „Gondel-Magazin“, eines kleinformatigen Heftes, das mit der seinerzeit ausgesprochen beliebten bunten Mischung verschiedenartigster Themen und dem Abdruck erotischer Fotos mit einem Spektrum vom Pin Up bis zum Akt einen großen Publikumserfolg erzielt. Abgelöst in Er wird Jänicke dann von Rudolf Glöss, der erstmals im Impressum des Juni-Heftes als „Herausgeber und verantwortlich für den Gesamtinhalt“ zu entdecken ist.

Die im „unaufdringlichen liebenswürdigen Freund der Herrenwelt“ zu entdeckenden Artikel berichten jedenfalls trotz der vielen personellen Veränderungen nach wie über Themen, die den Mann der 50er Jahre interessieren. So diskutiert Er die Frage „Sind Spielbanken unmoralisch?“, bringt Tipps zur Kleidungspflege „nur für Junggesellen und Strohwitwer“ („Glacéhandschuhe streift man über die Hand und reibt sie mit einem in Waschbenzin getauchten Wattebausch ab“) und berichtet über Kapitäne, „die Gentlemen zur See“. Die Titelbilder in dieser Phase gestalteten H. Neuner und Heinz Fehling, dessen ausgesprochen reizvolle aquarellierte Zeichnungen mit ihrem hohen Wiedererkennungswert in den ersten Jahren zudem das Erscheinungsbild der angesprochenen Gondel prägen. Über dies und sein weiteres künstlerisches Schaffen für Film und Werbung informiert übrigens auch eine ausgesprochen sehenswerte Internetseite (www.heinz-fehling.de).

Zweierlei ist dann bemerkenswert bezüglich des Weihnachtsheftes 1952. Zum einen ist auf dessen Titel erstmals keine Zeichnung, sondern ein Foto abgedruckt, auf dem ein vor einem Fernsehgerät sitzendes, festlich gekleidetes und sich zuprostendes Ehepaar abgelichtet ist, das sich augenscheinlich so schick angezogen hat, um auf dem Bildschirm eine Übertragung vom Skispringen (!) zu verfolgen. Gerade noch rechtzeitig zur Aufnahme des offiziellen Sendebetriebes des Deutschen Fernsehens am 25, Dezember wird das neue Medium also auch für Er zum Thema. Zum anderen wird mit diesem Heft 22/1952 die vom Start weg praktizierte fortlaufende Durchnummerierung beendet. Mit Heft 1/1953 beginnt die weitaus üblichere Zählweise, bei der die Heftnummer dem jeweiligen Erscheinungsmonat entspricht. Eine einmalige Ausnahme bildet jedoch kurioserweise die Dezemberausgabe 1953 mit der Nummer 23/1953.

Unter dem Titel „Steckenpferd hilft gegen Nervosität“ hält eine neue feste Rubrik Einzug, die belegt, dass sich die deutsche Wirtschaft im Aufschwung befindet und viele, insbesondere zur vom Blatt anvisierten Zielgruppe gehörige Menschen in gehobenen Positionen, bereits einen Ausgleich zur zunehmenden Arbeitsbelastung benötigen. „Das Leben ist nicht einfach, wer wollte es bestreiten. Und die Steckenpferde, an die die Menschen ihr Herz hängen, sind geeignet, das Leben leichter zu machen.“ So kann das männliche Steckenpferd in der Anschaffung eines Hundes bestehen oder in der Züchtung von Rosen („Der Mensch, eingespannt in die Fährnisse und Fortschritte einer hoch entwickelten Technik, sehnt sich zurück nach einem ruhigeren Leben. Die Blume weist ihm den Weg.“), auch Angeln entspannt. („Ist das wirklich derselbe Mensch? würde manche Sekretärin erstaunt fragen, wenn sie ihrem Chef einmal bei diesem Steckenpferd begegnete.“) Ganz besonders ist man aber bemüht, dem gestressten Leser zur Erholung das Sammeln näher zu bringen, sodass „in der Zeitschrift des Herrn“ im Laufe der Zeit einige interessante Sammlerthemen nachzulesen sind, die eine Menge Infos über die Geschichte der jeweiligen Objekte, damalige Preise und andere zeittypische Gepflogenheiten zu bieten haben. So behandeln die entsprechenden Artikel beispielsweise das „Waffensammeln, das ein so speziell männliches Hobby ist, dass man wohl ohne Übertreibung sagen kann, dass es keine Frau auf der Welt gibt, die ein solches Steckenpferd mitreitet“. Auch das Sammeln von Zinnfiguren „ist eine Leidenschaft, der ausnahmslos die Männer ergeben sind.“ Außerdem sammeln Männer Uhren, alte Bücher und Tabakpfeifen oder legen einen Steingarten an. Ebenso ausgefallen wie simpel ist der wörtlich zu nehmende Vorschlag, „alles unter die Lupe zu nehmen“: „Das Versenken in die kleinen Dinge ist in besonderer Weise ein Labsal für die überstrapazierten Nerven des Menschen von heute.“

                          

1958

 


 


 


 Mit Heft 4/53 wechseln wieder einmal Redaktion und Herausgeber. Letzterer ist nunmehr mit Claus Wessel, dem Verleger der Lübecker Nachrichten, ein Mann der „ersten Nachkriegsstunde“. Zudem taucht zwischen den mittlerweile üblichen Fotocovers mit Ausgabe 5/53 erstmals auch wieder ein gezeichnetes auf, das zugleich die Liste der Er-Titelbildkünstler um einen illustren Namen erweitert: Kurt Heiligenstaedt gehört, wie ein entsprechender Begleittext nicht ohne Stolz verkündet, „noch zu den Könnern des heute fast schon sagenhaft gewordenen Simplicissimus-Kreises.“ Damit nicht genug war Heiligenstaedt auch für die legendäre „Weiße Dame“ verantwortlich, die ab den 20er Jahren für fast vier Jahrzehnte die Werbung des Waschmittels Persil maßgeblich prägte. Im selben Heft findet noch eine weitere Premiere statt: Erstmals ist in „der Zeitschrift des Herrn“ eine Seite mit Damenmode zu entdecken. Da es sich dabei jedoch ausschließlich um von weiblichen Fotomodellen präsentierte Bademode handelt („Für junge, grazile, sportlich orientierte Damen ist dieses Modell besonders attraktiv“), liegt die Vermutung nahe, dass diese Seite vielleicht doch vorrangig den Herrn „informieren“ soll.

1957 kommt es zu einer abermaligen Veränderung, die diesmal jedoch bis ins Jahr 1969 von Bestand sein soll. Neuer Herausgeber wird der Kaufmann und Verleger Rolf Krawehl, Verlag die ELEGANTE WELT Verlagsgesellschaft mit der überaus repräsentativen Anschrift „Düsseldorf, Königsallee 100“. Aus „der Zeitschrift für den Herrn“ wird „die Zeitschrift des Herrn“, die Positionen des Chefredakteurs und seines Stellvertreters besetzen nun offiziell die bereits zuvor erwähnten F.W.Koebner und Hubert Miketta.

                   

1960

 

1960

 

1961

 In den 60ern widerstehen die ER-Macher lange der sicherlich vorhandenen Versuchung, ihr Blatt nach dem Vorbild diverser anderer Zeitschriften dieser Zeit getreu dem Motto „sex sells“ durch möglichst viel nackte weibliche Haut aufzurüsten. Wenn denn doch einmal eine spärlicher bekleidete Dame auszumachen ist, geschieht dies zumeist im Rahmen der Vorstellung neuer Kinofilme. So kann der Leser beispielsweise per Foto an einem Film-Striptease Sophia Lorens teilhaben oder sich diese dank einer zusätzlich ausklappbaren Heftseite im Großformat lasziv auf einem Bett räkelnd betrachten. Auch vor allem in Deutschland populäre Schauspielerinnen wie Vivi Bach oder Senta Berger beherrschen die Kunst, sich in reizvollen Posen darzustellen, ohne wirklich etwas zu zeigen.

 

                       

1964, Senta Berger

 

1964, Vivi Bach

 

1964, Jane Fonda

 

1965

 

 Gegen Mitte des Jahrzehnts kann sich ER den „nackten Tatsachen“ offenbar immer weniger verschließen, was der Qualität des Blattes jedoch keineswegs abträglich ist, sondern an dieser Stelle lediglich herausgestellt wird, um die Entwicklung vom „Herren-“  zum „Männermagazin“ zu dokumentieren. Berührungsängste mit der Konkurrenz kennt ER augenscheinlich nicht. So berichtet man über „die Häschen aus dem Playboy-Club“ und lässt es sich nicht entgehen, Playboy-Macher Hugh Heffner im Kreise seiner „ausgesucht schönen Serviermädchen, die in leichtgeschürzter Kleidung die Gäste bedienen“, zu präsentieren. Mit einer Auflage von nahezu 140000 Exemplaren im Rücken titelt das Heft 11/72 sogar selbstbewusst mit der Schlagzeile: „Der Playboy hat keine Chance.“ Zwar handelt es sich dabei nur um das Ergebnis einer Umfrage, „wie der Mann, den sich die Frauen wünschen, heute aussieht“, doch ist davon auszugehen, dass die vorhandene Doppeldeutigkeit des Aufmachers durchaus beabsichtigt war.

                         

1972 - "Der Playboy hat keine Chance"

 

1970

 

1979

 Ein ausgezeichnetes Beispiel zuvor beschriebener Entwicklung stellt die in Er über mehrere Jahrzehnte zu beobachtende Entwicklung von Brigitte Bardot dar: Streicht sich die 17jährige „moderne, junge Nymphe“ 1953 in einer Portraitaufnahme lediglich verführerisch durchs blonde Langhaar, zeigt „Brischitt“ knapp 10 Jahre später immerhin schon Bein, um sich wiederum ein gutes Jahrzehnt später vollkommen nackt zu präsentieren.

                   


 


 Noch etliche Veränderungen sind im Laufe der Zeit auszumachen: Hubert Miketta avanciert zum Mode-, dann zum alleinigen Chefredakteur, das Heftformat wird kleiner, Herausgeber Krawehl gründet 1969 die ER-Verlagsgesellschaft, der Filmkritiker Joe Hembus gibt ein Gastspiel auf dem Chefredakteursposten, ER bekommt in der Folge die Beinamen „Das Herrenmagazin“ „Die Zeitschrift für Ihn“ und „Das deutsche Männermagazin“, Verlage und Verantwortliche wechseln wie gehabt... Mit dem Aufdruck „Das älteste Männermagazin der Welt!“ erscheint ER schließlich bis heute, hat aber mit dem Magazin der Anfangszeit sicherlich nur noch soviel gemeinsam wie beispielsweise ein VW-Golf der ersten Generation mit dem aktuellen Modell, nämlich außer dem Namen so gut wie nichts. Dies soll nun aber keineswegs als Wertung missverstanden werden - im Gegenteil erweist es sich als ausgesprochen interessant, Exemplare eines einzigen Zeitschriftentitels aus nunmehr 6 Jahrzehnten miteinander vergleichen zu können und sich auf die Suche nach den Moden, Meinungen und überhaupt dem Zeitgeist der jeweiligen Epochen zu begeben. Wer dem auf die Spur kommen möchte, wird es jedoch leider bei der Beschaffung insbesondere von Exemplaren der 50er Jahre nicht ganz einfach haben, da letztere extrem selten zu finden sind. Wenn dann einmal welche auftauchen, kann der Sammler sie dennoch zumeist für im einstelligen Eurobereich angesiedelte Beträge erstehen, was sich durch das sich auch heute noch einstellende Lesevergnügen allemal als eine lohnende Investition erweist.


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